Mit Freude habe ich auf dem Gemeinschaftsblog Feminismus im Pott diverse spannende Interviews mit Einzelpersonen und Initiativen zu feministischem Aktivismus in Pandemiezeiten entdeckt. Es sind Gespräche über politisches Engagement (on- & offline), z.B. mit der Initiatorin* von @feminismus24 (früher Scheidé Révoltée) über Aktivismus auf Instagram, mit Ina Holev und Miriam Yosef von der Bildungsinitiative “Jüdisch und Intersektional”, mit Chiara Seidel, die für Ableismus in unserer Gesellschaft sensibilisieren will und sich dafür einsetzt, ihn zu überwinden und mit Ceren Kaya, die sich in der Kommunalpolitik engagiert – um nur einige Beispiele zu nennen. Sie alle sprechen über ihre politische Arbeit, wie sie sich in Pandemiezeiten verändert hat und was die feministische Community braucht, um weiterhin handlungsfähig zu sein. Diese inspirierenden Einblicke in die Bewegung findet ihr hier.
Feministische Aktionen
gab es in den letzten zwei Monaten so einige, hier eine winzig kleine Auswahl:
#FeminismIsNotACrime – „Wir sitzen, weil sie marschieren“
Unter dem Motto „Feminism is not a crime“ engagiert sich das Bündnis „What the Fuck!?“ derzeit gegen die Kriminalisierung von Sitzblockaden.
Der Hintergrund ist, dass in Berlin ca. 100 feministische Aktivist*innen wegen des Vorwurfs der ‚Nötigung‘ vor Gericht stehen. Sie hatten sich im September 2019 an Blockaden gegen den „Marsch für das Leben“ beteiligt. Seit einigen Jahren kommen beim „Marsch für das Leben“ jährlich im September ca. 5.000 Abtreibungsgegner*innen in Berlin zusammen, so u.a. auch Beatrix von Storch (AfD) und andere organisierte Rechte.
Das Bündnis „What the Fuck!?“ fordert einen Freispruch der Aktivist*innen und hat zusammen mit Akteurinnen aus Politik und Gesellschaft einen offenen Brief unter dem Motto „Wir sitzen, weil sie marschieren. Ein Aufruf gegen die Kriminalisierung von Sitzblockaden!“ veröffentlicht, den ihr hier unterzeichnen könnt.
Denn neben den Feminist*innen droht auch einigen antifaschistischen Aktivist*innen, die sich am 3. Oktober 2020 in Berlin-Hohenschönhausen einem Aufmarsch der neonazistischen Partei „III. Weg“ in den Weg gestellt haben, ein Verfahren wegen Nötigung.
#8.März
Über den 8.März in Mexiko und das Erstarken der feministischen Bewegung dort schreibt Mirjana Mitrović: „SOS, sie töten uns“
In Berlin beteiligte sich das International Women* Space (IWS) mit einem englischsprachigen Redebeitrag an der internationalistischen Demo „Break the Silence, Break the System“ in Berlin. IWS erinnerte in dieser Speech an Rita Awour Ojunge (s.u.), kritisierte den Rassismus in der feministischen Bewegung und das europäische Grenz- und Asylsystem, das nicht nur an den europäischen Grenzen täglich Todesopfer fordert. Den Beitrag könnt ihr hier anschauen und lesen.
Die Initiative Women in Exile feierte den Internationalen Frauen*tag mit einer Demo in Cottbus, auf der auch sie ihrer Freundin Rita Awour Ojunge gedachten. Im Aufruf schreiben sie dazu:
„Am 7. April 2019 verschwand unsere Schwester Rita Ojunge. Rita lebte mit ihren Kindern in einem Lager in Hohenleipisch, Brandenburg. Ritas Familie wollte wissen, was passiert war. Die Geflüchteten, die in dem Lager leben, forderten Gerechtigkeit für Rita und die Schließung des Lagers. Das Lager ist in einem sehr schlechten Zustand und absolut isoliert, umgeben von einem Wald.“
Ihre 8.März Aktion begründen sie u.a. so: „Während wir uns weiterhin darauf konzentrieren, Frauen zu einer vollen und gleichberechtigten Teilhabe an der globalen Entwicklung zu verhelfen, ist die Erinnerung an unsere Lieben, die diskriminiert und eliminiert wurden, noch frisch. Unsere Frage ist: ‚Wie werden wir eine gleichberechtigtere Zukunft für Frauen gestalten, während Flüchtlingsfrauen in den isolierten Lagern schweigend sterben, die Täter immer noch ihre Freiheit genießen und die Opfer keine Gerechtigkeit erfahren? SIND WIR KEINE FRAUEN?‘
Sie fordern „(…) weiterhin Gerechtigkeit für Rita, die Fortführung der Ermittlungen und die Abschaffung aller Lager!“ Und sie stellen fest: „Wir brauchen eine angemessene Prävention, Strafverfolgung und Sanktionierung von Frauenmorden. Das Leben von Flüchtlingsfrauen zählt!!!“
Am 7.April, zwei Jahre nach dem Verschwinden Rita Awour Ojunges, veranstalteten Women in Exile eine Gedenkkundgebung, hier erfahrt ihr mehr darüber.
#TransVisibilityDay – 31.3.21
Der 31.3. ist der Tag der Sichtbarkeit von Transpersonen, der auf die Situation und die (weiterhin eingeschränkten) Rechte von Transpersonen aufmerksam machen soll. Aus diesem Anlass beschäftigt sich Leo Yannick Wild mit dem aktuellen Stand der Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) und mit Transfeindlichkeit in der ARD-Sendung „Tatort“ und stellt „Zwei Fragen zum Trans Day of Visibility“.
#TagDerLesbischenSichtbarkeit – 26.4.21
Zum Tag der Lesbischen Sichtbarkeit am 26.4. rückte das Digitale Deutsche Frauenarchiv (DDF) ihre Ressourcen zu Geschichte der Lesbenbewegung (z.B. im Spinnboden-Archiv) in den Fokus der Aufmerksamkeit. Unter dem Titel Happy #lesbianvisibilityday! zeigt es spannende Biografien, z.B. die von Ingrid Sonja Liermann (1926–2010) aus Hamburg.
Der Lesbenring e.V. fordert zum #tagderlesbischensichtbarkeit in einer Pressmitteilung: „(…) endlich eine Gleichstellung im Abstammungsrecht, mehr Sensibilität der Mehrheitsgesellschaft zum Thema “Gewalt gegen Lesben” und im Umgang mit Frauen* das selbstverständliche Denken, dass das Gegenüber auch lesbisch* sein könnte.“
Sie schreiben weiter: „Zwar ist durch die Ehe für Alle 2017 die Diskriminierung gegenüber lesbischen und schwulen Paaren abgebaut worden. Aber im Abstammungsrecht werden lesbische* Frauen nach wie vor benachteiligt: Bei einem in eine heterosexuelle Ehe hinein geborenem Kind ist automatisch der Ehemann der Vater, bei lesbischen Paaren muss die Ehefrau das Kind erst per Stiefkindadoption adoptieren – ein langwieriger und erniedrigender Prozess.“
Falls ihr euch für die Situation und das politische Engagement von Lesben* auf dem afrikanischen Kontinent interessiert, kann ich euch sehr den RALF (Radical African Lesbian Feminist) -Newsletter der Coalition of African Lesbians (Cal) empfehlen. Zwar ist es einerseits hart und schmerzhaft den Newsletter zu lesen, weil darin von der krassen, bis hin zu tödlichen, Gewalt gegen Lesben* berichtet wird. Zugleich ist der Newsletter super informativ und sehr ermutigend, weil er Einblick in die Mobilisierungen, Selbsthilfeinitiativen, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit der Organisation gibt und politische Analysen zur Verfügung stellt.
Die Organisation stellt sich auf ihrer Website folgendermaßen vor:
„The Coalition of African Lesbians is a feminist, activist and pan Africanist network of 14 organisations in 10 countries in sub-Saharan Africa committed to advancing freedom, justice and bodily autonomy for all women on the African continent and beyond.
We are committed to raising consciousness amongst and strengthening activism and leadership of lesbian women on sexuality and gender and its intersections with a wide range of lived realities.We understand the place of Africa in the world and work in ways that affirm African agency and power to contribute to transformative change on the continent and in the world.“