Viele der feministischen Blogposts in diesem Monat beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Corona-Krise gerade auf die besonders verletzbaren Menschen in unserer Gesellschaft (Stichpunkte: Unmöglichkeit von #socialdistancing in Gemeinschaftsunterkünften, Zunahme von häuslicher Gewalt, Verschärfung prekärer ökonomischer Situationen, drohende Wohnungslosigkeit, Doppel- und Dreifachbelastungen durch Care-/Sorgearbeit, soziale Isolation, fehlender Internetzugang, etc.). Dabei werden auch Forderungen an die Politik formuliert (z.B. nach einem bedingungslosem Grundeinkommen) und konkrete Handlungsvorschläge für jede_n Einzelne_n vorgeschlagen und z.B. ein Solidaritätsfonds für Menschen in Not vorgestellt.
Women in Exile ist eine Initiative von geflüchteten Frauen* in Brandenburg. Sie erläutern, warum Social Distancing in einer Sammelunterkunft für geflüchtete Menschen unmöglich ist und insofern als Privileg betrachtet werden kann (31.3.20).
In einem zweiten Post skizzieren Women in Exile & Friends wie sie im Raum Berlin-Brandenburg über Videokonferenzen miteinander im Austausch bleiben (27.3.20).
International Women Space
– berichtet über Proteste gegen Abschiebung, Verdrängung und Unterdrückung in Zeiten von Corona (30.3.20).
– veröffentlicht den Appell „Gesundheitsversorgung sicherstellen! Lager auflösen! Menschen und ihre Rechte schützen!“ (20.3.20) (gemeinsam mit We’ll come united, Landesflüchtlingsräten und den bundesweiten Medibüros/Medinetzen).
– und stellt Basisinformationen zum Coronavirus in verschiedenen Sprachen sowie Adressen von Anlaufstellen für gewaltbetroffene Frauen* und Queers zur Verfügung.
Am 31.3.2020 berichtet Magda Albrecht von der Mädchenmannschaft über einen Unterstützungsfond für Berliner*innen in Not, d.h. für Menschen, die u.a. aufgrund ihres irregulären Aufenthaltes oder einer irregulären Beschäftigung durch unser soziales Netz fallen.
Ebenfalls auf der Mädchenmannschaft erscheint am 21.3. ein Beitrag von Nadia Shehadeh über die Restriktionen in Italien in Folge der Corona-Krise.
Auf dem Blog des Missy Magazin setzt Debora Antmann sich mit den im Netz kursierenden antisemitischen Verschwörungstheorien auseinander, die „in Zeiten von Corona“ bis in ihre Timelines vordringen (31.3.20).
Aus einer feministisch-aktivistischen Perspektive analysiert Johanna von Feminismus im Pott, inwiefern die Corona-Krise den in der Gesellschaft vorfindlichen Ableismus, Klassismus und Rassismus noch verstärkt. Sie geht auch auf die Themen Sorgearbeit (Care) und Selbstsorge in Zeiten von Corona ein und liefert einen Strauß von konkreten Empfehlungen zum Verhalten in Krisenzeiten (27.2.2020).
Die Situation von marginalisierten und vulnerablen Personen, von gewaltbetroffenen Frauen*, Obdachlosen, Menschen in Flüchtlingslagern in Griechenland, europaweit und in Deutschland ist auch Thema in einem Blogpost von FELI (feministische linke freiburg). In diesem Post finden sich viele konkrete Handlungsvorschläge und m.E. eine sehr treffende Analyse der aktuellen Situation. So schreiben sie z.B.: „Spannend ist jedoch gerade zu sehen, welche Berufe tatsächlich als „systemrelevant“ eingeordnet werden. Das sind vor allem Berufsfelder in denen vermehrt Frauen* arbeiten, wie im Einzelhandel mit Nahrungsmitteln oder Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Alles Berufsfelder, die in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart wurden, deren Beschäftigten auch schon vor Covid-19 unter belastenden Arbeitsbedingungen und Niedriglohn tätig waren. Die Krise birgt an dieser Stelle eine Chance: eine Neuorganisation gesellschaftlicher Arbeit. Dafür braucht es jedoch eine Organisation und Druck von unten. Deshalb: supportet eure lokalen Gewerkschaften – organisiert euch! (…) Wir fordern ein Gesundheitswesen, das nicht nach einer Logik der Profitmaximierung handelt, sondern einen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung sicherstellt und auf die Bedürfnisse der Fachkräfte eingeht.“
Besonders berührt und zum Nachdenken gebracht haben mich die Posts von H. C. Rosenblatt auf Ein Blog Von Vielen. Der Untertitel des Blogs ist „Ein Ziel – Viele Kämpfe_r_innen“ und H. C. Rosenblatt beschreiben ihren Blog folgenermaßen: „Ein Blog von Vielen ist ein Blog von einer, die viele ist. Von einer, die ausging, das Leben nach der Gewalt zu erfahren, zu verstehen und zu leben.“
Am 19.3. schreiben H. C. Rosenblatt: „‘COVID-19 schränkt das öffentliche Leben in nie da gewesener Weise ein,‘ las ich eben. Für mich weicht das öffentliche Leben gerade auf. Ich muss nicht mehr zur Arbeit fahren, niemand muss das mehr. Alle verstehen das. Die 100 % Leistungsfähigkeit der anderen, sind im Moment sehr nahe an meinen 100 %, denn gerade kompensieren sie alle etwas nebenher und verstehen die Belastung. Ich fühle mich verbundener als je zuvor, obwohl ich merke, wie wenig die Menschen begreifen, dass sie gerade zwar einen Ausnahmezustand er_leben, das aber genau mein Normal ist.
Weitere Posts (u.a.):
Am 25.3.20: Was „der Kampf gegen COVID-19“ mit kollektiver Trauer zu tun hat.
am 31.3.20: nichts ist wie sonst
Ein Beitrag auf dem Genderblog des ZTG der Humboldt-Universität Berlin zeigt, wie gerade die Corona-Krise uns die Bedeutung der Gender Studies vor Augen führen kann. Hier ein Zitat aus dem Post, der veranschaulichen kann, wie die Gender Studies helfen können, die derzeitige Situation zu verstehen: „Die Auswirkungen des Coronavirus, so unsere Sicht, verlaufen quer durch diese Verhältnisse, mit gravierenden Auswirkungen, vor allem für Menschen, die negativ von Machtverhältnissen betroffen sind. Das sind beispielsweise Menschen, die feminisierte und migrantisierte Berufe ausüben, die zum Beispiel Pflegearbeiten leisten oder in anderen medizinischen Berufen angestellt sind, Beschäftigte in der Grundversorgung (Wasser, Strom, Nahrungsmittel), Menschen mit kleinen Kindern oder in prekären Wohnsituationen und Arbeitsverhältnissen, die nun Kurzarbeiter_innengeld erhalten oder ihre Arbeit verloren haben. Diese Themen sind Gegenstand der Geschlechterstudien – sie sind aktueller und gesellschaftlich breit diskutierter als je zuvor. So beschäftigt sich beispielsweise der Lehrbereich “Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse” mit der Verletzbarkeit und Prekarität des Lebens, mit Sorge- und Erwerbsarbeit sowie mit (Geschlechter-)Ungleichheiten und Anerkennung.“ Der Beitrag versteht sich auch als eine Art Service: Er „(…) ist work in progress. Er soll Ressourcen zur Verfügung stellen, die laufend ergänzt werden können. Die vorgestellten Beiträge sind frei und digital verfügbar und sollen wissenschaftliches Arbeiten – in den Gender Studies wie in vielen anderen Feldern – auch in Zeit von Corona ermöglichen. Diese Linkliste gliedert sich momentan in vier verschiedene Ressourcenformate: Texte, Blogs, Podcasts und Videos.“
Ebenfalls einen „Service“ bietet Annalist mit einem (Überwachungs-kritischen und netzpolitischen) Blogpost mit Tipps für Video-, Chats und Telefonkonferenzen.
Auf dem Blog der feministischen Studien reflektiert Catrin Dingler in ihrem Post „Corona und die Hochschulen. Anmerkungen zum Digitalisierungsvirus“, was aus der Schließung der Hochschulen, aus der Umstellung auf Online-Lehre und aus der fortgesetzten (digitalen) Geschäftigkeit folgt. Sie stellt die These auf, dass „(m)it den Einschränkungen des öffentlichen Lebens (…) die Universität als öffentlicher Bildungsraum verloren (geht)“ (28.3.20).
Urmila Goel macht uns mit ihrem Post „Die Krise als Chance für Privilegierte“ (31.3.20) auf ihrem Blog anders deutsch darauf aufmerksam, dass die Schließung der Unis Studierende und Mitarbeiter*innen unterschiedlich hart trifft. Sie verweist auf einen Offenen Brief von Wissenschaftlerinnen, die fordern, dass das Sommersemester ein NichtSemester, Fleximester, Optionalsemester bzw. Kreativsemester wird, damit Härten und Mehrbelastungen für die ohnehin schon belasteten (z.B. Alleinerziehende) abgefedert und ausgeglichen werden.
Eva Yvory fragt auf dem Blog der Störenfridas „Warum die Krise die Frauen härter trifft“. Auch sie hat konkrete Forderungen an die Politik und Empfehlungen für uns, wie wir uns aktuell verhalten sollten (17.3.20).
Alex Wischnewski schlägt auf dem Blog der Rosa Luxemburg Stiftung den Bogen von der Corona Krise über die systemrelevante Sorgearbeit zu den feministischen Mobilisierungen rund um den 8.März, indem sie auf einen feministischen Notfall-Plan zur Corona-Krise hinweist, der in Chile formuliert wurde. Sie schreibt dazu:
„In Chile hat die Koordination 8M [8. März], die noch vor zwei Wochen mehr als eine Millionen Menschen mobilisierte, einen «feministischen Notfall-Plan angesichts der Coronavirus-Krise» entwickelt, der zu direktem Handeln auffordert. Um Maßnahmen zu erzwingen, wie etwa eine bezahlte Freistellung für die Sorge von anderen, die Anerkennung von Kinderbetreuung zuhause als Arbeitszeit oder der kostenlose Zugang zu Gesundheitsversorgung, wird ein Streik all jener produktiven Arbeiten gefordert, die nicht direkt das Gesundheitssystem und die Versorgungslage beeinträchtigen. Darüber hinaus enthält der Notfall-Plan Vorschläge für lokale Solidaritätsnetzwerke, die nicht nur Kinderbetreuung für Beschäftigte in der Sorgearbeit bedenkt, sondern auch Unterstützung für Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind. Ein Problem, das insbesondere in Zeiten von Krisen und nun noch verstärkt durch Quarantäne und Ausgangssperren zunimmt.“