„Du sollst nicht vergewaltigen“ – dieser Satz steht in großen Lettern mitten in Berlin, vor dem Maxim Gorki Theater, in unmittelbarer Nähe zur Neuen Wache, Humboldt-Universität, Unter den Linden und Deutschem Historischen Museum. Es ist eine Arbeit der in Guatemala lebenden Künstlerin Regina José Galindo. Als Intervention in den öffentlichen Raum wurde der Satz seit 2017 in vielen Städten der Welt präsentiert und war im Rahmen des „4. Berliner Herbstsalons“ am Gorki zu sehen. Im Begleitheft heißt es dazu: „In der Sprache der biblischen Gebote ist der Satz Kritik und Aufforderung zugleich und eindeutig in der Aussage: Du sollst nicht vergewaltigen! Im Gegensatz zu Mord, Diebstahl, Lüge und Gotteslästerung ist sexuelle Gewalt bis heute nicht in den moralischen Kodex kollektiver Ächtung aufgenommen. Der zunächst selbstverständlich anmutende Satz macht dies eindrücklich deutlich“.
Der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen* wurde 1981 auf dem ersten lateinamerikanischen Frauenkongress ins Leben gerufen. Seitdem protestieren Feminist*innen am 25. November weltweit gegen sexualisierte, häusliche, digitale und andere Formen der Gewalt, sie sich gegen Mädchen*, Frauen*, trans*, inter* und nicht-binäre Personen richtet. Aktuell ruft z.B. das Bündnis internationalistischer Feministinnen* Berlin zu einer Demonstration u.a. gegen Abschiebungen und Femizide (Frauen*morde) auf.
Seit 2017 setzt sich die Kampagne #keinemehr in Deutschland gegen Frauen*morde und Gewalt gegen Frauen* ein. Die Kampagne tritt dafür ein, dass auch hierzulande der politische Begriff Feminizid verwendet wird: „Damit wollen sie sichtbar machen, dass Männer Frauen* töten. Dass das keine vereinzelten Familiendramen oder Eifersuchtsmorde sind. Und dass die deutsche Gesellschaft mitverantwortlich ist, dass dies geschehen kann. Dazu gehört auch die mediale Berichterstattung.“ (s. Website #keinemehr).
Auch an der ASH Berlin, an der ich arbeite, wird es rund um den 25.November Veranstaltungen geben.
Bereits im Oktober luden Frauen*rat und Frauen*beauftragte der ASH Berlin zu einer Veranstaltung mit unserer Kollegin Prof. Charlynne Curiel von der Partneruniversität „Autonome Universität von Oaxaca (UABJO)“ in Mexiko. In ihrem Vortrag zur Diskriminierung von Frauen* an mexikanischen Hochschulen gab sie einen Einblick in das Kontinuum der Diskriminierung und Gewalt, die den Alltag von Frauen* im mexikanischen Wissenschaftsbetrieb prägen. Sie berichtete aber auch von den Strategien der Gegenwehr, die Studierende und Beschäftigte an den Hochschulen entwickeln, um Diskriminierung und Gewalt öffentlich zu machen und um wirksame Präventions- und Sanktionsmaßnahmen zu fordern.
Die Proteste an den Hochschulen stehen auch in Verbindung mit landesweiten Protesten von Feminist*innen gegen Vergewaltigungen und sexualisierte Übergriffe. Darum ging es dann ausführlicher bei einer Veranstaltung mit Charlynne Curiel im Aquarium am Kottbusser Tor und in einem Interview mit ihr im Nachrichtenpool Lateinamerika. Die Feminist*innen nutzen neben „analogen“ Protestformen wie Kundgebungen, Plakataktionen und Demonstrationen auch digitale Formen, indem sie über die Sozialen Medien Öffentlichkeit herstellen und mit Hashtags wie z.B. “#yo si te creo” (#ich glaube dir) oder “#si nos tocan a una respondemos todas” (#wenn sie ein von uns anfassen, reagieren wir alle) für ihre Demos mobilisieren.
Anhand des Blogs Feminismos en Debate konnten wir z.B. an der ASH Berlin seit 2017 nachvollziehen, wie die feministische Gruppe MUOVAS in Oaxaca auf sexualisierte Gewalt an unserer Partnerhochschule UABJO aufmerksam machte und von der Hochschulleitung u.a. forderte, einem Vergewaltigungsvorwurf gegen einen Dozenten ernsthaft nachzugehen.
Die digitalen Medien sind einerseits ein wirksames Werkzeug für das Engagement gegen Diskriminierung und Gewalt. Gleichzeitig ist das Internet bekanntermaßen auch ein Raum, in dem Übergriffe und Gewalt gegen Frauen* passieren, so dass die feministischen Internet-Nutzer*innen vor der Herausforderung stehen, Strategien der digitalen Selbstverteidigung zu entwickeln. Dazu findet ihr hier ein spannendes Interview mit Dr. Marcela Suárez Estrada, die im Rahmen des DiGiTal-Programms zu feministischer Politik in Mexiko und digitaler Gewalt forscht.
Für diejenigen, die Spanisch sprechen, sei der 30-minütige Dokumentarfilm „Nosotras” („Wir“) über sexualisierte Diskriminierung und Gewalt in Mexiko sehr empfohlen.